Es braucht dringend unbürokratische Hilfe für Studierende und ihre Familien im türkischen und syrischen Erdbebengebiet (Statement der RAMAN HSG und des AStAs Bonn)

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Die schweren Erdbeben in der Türkei und in Syrien haben bereits 41.000 Menschen das Leben gekostet und täglich werden weitere Tote unter den Trümmern gefunden. Die Erdbeben haben unbeschreibliches Leid ausgelöst, die Folgen für die Menschen vor Ort sind verheerend. Die Bilder, die derzeit um die Welt gehen, machen jetzt schon deutlich, dass die Folgen dieser Naturkatastrophe das Leben in dieser Region in den nächsten Jahren erheblich beeinflussen und einschränken werden. Auch wenn das Ausmaß der Katastrophe bislang nur zu erahnen ist, ist eines klar zu erkennen: Ein sicheres und menschenwürdiges Leben ist in den zerstörten Regionen bis auf Weiteres vollkommen ausgeschlossen. In den betroffenen Städten sind Straßenzüge, sogar ganze Stadtteile zerstört, die Menschen sind obdachlos und die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten ist kaum gewährleistet. Viele Menschen in Deutschland bangen weiterhin tagtäglich um die Sicherheit und das Wohlergehen ihrer in den Erdbebengebieten lebenden Verwandten. Unter diesen Umständen muss von Abschiebungen in die Türkei dringend abgesehen werden.

Diese Katastrophe hat auch für Studierende – sowohl im Krisengebiet als auch in Deutschland, etwa an unserer Universität Bonn – konkrete Auswirkungen, die schnelle Lösungen erfordern.

Unmittelbar nach der Katastrophe verkündete die Bundesregierung ihre Absicht, die Aufnahme von Verwandten aus dem Erdbebengebiet zu vereinfachen, und versprach Visaerleichterungen. Die nun veröffentlichten „Visaerleichterungen“ entsprechen zum größten Teil aber den üblichen Voraussetzungen für die Beantragung eines Visums, wie z.B. Ausfüllen des Antragsformulars, Abgabe einer Verpflichtungserklärung durch die in Deutschland lebenden Verwandten, Vorlage von Personalausweisen bzw. Pässen und Nachweis der Krankenversicherung. Ergänzt wurden sie um zusätzliche bürokratische Hürden wie dem Beibringen eines Wohnsitznachweises mit Historie (Historie muss den Wohnsitz im Erdbebengebiet zum Zeitpunkt der Katastrophe belegen), einer kurzen, schriftlichen Schilderung der Notlage oder bei Minderjährigen Unterschriften oder notariell beglaubigte Zustimmungen beider Eltern bzw. Nachweis der Alleinsorge oder der vorübergehenden Personensorge.

Es ist blanker Hohn zu verlangen, dass der Wohnsitz mit Historie nachgewiesen werden muss, dass Menschen, die durch die Erlebnisse der letzten Tage traumatisiert sind, „eine kurze, schriftliche Schilderung der Notlage“ oder dass für minderjährige Kinder, die möglicherweise Waisen oder Halbwaisen geworden sind, die Frage der Personensorge geklärt werden soll.

Eine aus Syrien stammende Doktorandin, die an der Universität Bonn als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt ist, hat kürzlich die Unterlagen für die Verpflichtungserklärung beim Ausländeramt Bonn eingereicht, um ihren vom Erdbeben betroffenen Vater aus Aleppo nach Deutschland zu holen. Das Bonner Ausländeramt setzt für eine Bewilligung allerdings ein durchschnittliches Einkommen der aufnehmenden Person von 2.050€ in den letzten sechs Monaten voraus. Obwohl die Doktorandin seit neun Jahren in Deutschland lebt, ihre berufliche Karriere hier verfolgt und ihr Leben selbst finanzieren kann, erteilte ihr das Ausländeramt aufgrund eines durchschnittlichen Einkommens von unter 2.050€ eine Absage. Ihr Vater muss daher weiterhin in der Kälte auf der Straße in Aleppo ausharren.

Diese Regelung ist für Studierende völlig unerfüllbar, da durch einen studentischen Nebenjob mit einem Umfang von maximal 20 Stunden pro Woche keineswegs mehr als 2.050€ verdient werden können.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass den Menschen aus Syrien sofortige Visa ausgegeben werden. Die Tatsache, dass die Vorsprache bei den deutschen Botschaften ohne Termin erfolgen kann, stellt durchaus eine Erleichterung dar. Dadurch, dass die betroffenen Menschen in Syrien mangels einer dortigen deutschen Botschaft Hunderte Kilometer zu den nächstgelegenen deutschen Botschaften im Libanon, in Jordanien, im Irak oder in Kurdistan (Erbil) fahren müssen, ist diese Erleichterung allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein, da sich die betroffenen Menschen die Reisekosten und eine Wartezeit von mehreren Tagen am Ort der Botschaft oder am Heimatort in Syrien in der jetzigen Situation oftmals nicht leisten können.

Hinzu kommt, dass syrische Staatsangehörige im von der Türkei besetzten Gebiet Afrin im Nordwesten Syriens aufgrund des türkischen Rechtsrahmens und der türkischen Handhabe häufig über keinen regulären Aufenthaltstitel, entsprechende Nachweise und über syrische Passpapiere verfügen. Gerade auch sie müssen Zugang zu den vereinfachten Visaverfahren erhalten und es muss dabei sichergestellt werden, dass die Erteilung des Visums nicht kategorisch deswegen abgelehnt wird, dass die Rückkehrabsicht der betreffenden Personen den deutschen Behörden nicht glaubhaft genug erscheint.

Für Studierende im Krisengebiet, die nach Deutschland kommen möchten, um ihr Studium hier – und gerade auch an der Universität Bonn – weiterzuführen, bedarf es ebenfalls dringender Vereinfachungen im bürokratischen Prozess. Wer in den Trümmern seines Hauses alles verloren hat, verfügt schlicht und ergreifend nicht mehr über diese Unterlagen.

Des Weiteren müssen Förderprogramme eröffnet werden. Im Jahr 2015 hat der DAAD etwa ein Programm für syrische Studierende, die vom Krieg betroffen waren, gestartet und damit 300 Studierende gefördert. Der Visumsvergabeprozess war in den Botschaften durch den DAAD gut organisiert worden und stellte dadurch eine erhebliche Erleichterung für die Studierenden dar.

Außerdem braucht es Förderungen für aus der Türkei oder aus Syrien stammende Studierende, die bislang von ihren Familien in ihrem Herkunftsland finanziell unterstützt worden waren, diese Unterstützung aufgrund des Erdbebens nun aber verloren haben. Es darf nicht dazu kommen, dass diese sofort exmatrikuliert werden, wenn sie den Semesterbeitrag in der aktuellen Notsituation nicht rechtzeitig bezahlen können.

In beiden Fällen reichen die Unterstützungsangebote von ASten und Studierendenwerken, etwa bei uns in Bonn, bei Weitem nicht aus oder greifen nicht, weshalb weitere Maßnahmen dringend nötig sind.

Neben den ausgeführten Punkten fordern wir:

Gerade im Nordwesten Syriens ist die Versorgung mit Hilfsgütern katastrophal.

- Die Grenzübergänge zwischen der Türkei und Syrien müssen geöffnet werden, damit eine umfangreiche Versorgung aller Menschen dort gesichert ist.

Damit Studierende ihren Familienangehörigen ersten und zweiten Grades Zuflucht bieten können, braucht es:

Schengen-Visa von türkischen (und syrischen) Staatangehörigen müssen aufgrund höherer Gewalt gem. § 6 Abs. 2 AufenthG i.V.m. Artikel 33 EU-Visakodex unbürokratisch verlängert werden. Menschen, die sich momentan sicher in Deutschland aufhalten, dürfen nicht gezwungen werden, in die katastrophalen Bedingungen in den Erdbebengebieten zurückzukehren.

Menschen aus den Katstrophengebieten zu ihren in Nordrhein-Westfalen lebenden Familienangehörigen müssen visumsfrei einreisen können.

Sollte sich auf Bundesebene keine Mehrheit für eine visumsfreie Einreise finden lassen, muss:

es wirkliche Erleichterungen für Visaverfahren von in den Erdbebengebieten lebenden Menschen geben. Von wirklichen Erleichterungen kann nur dann gesprochen werden, wenn Voraussetzungen herabgesetzt und auf formelle Nachweise verzichtet wird.

• dafür gesorgt werden, dass auch syrische Staatsangehörige umgehend in das vereinfachte Visumsverfahren einbezogen werden. Es müssen auch syrische Staatsangehörige, die als Geflüchtete in den Erdbebengebieten in der Türkei leben, Zugang zu dem vereinfachten Visaverfahren erhalten.