Rassismuskritische Uni Bonn - JETZT!

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Rassismuskritische Uni Bonn – JETZT!

Einführung einer zentralen sowie unabhängigen Anti-Rassismusstelle für die Universität Bonn

In unserer Gesellschaft ist Rassismus tief verankert, was sich in den unterschiedlichsten Lebensbereichen widerspiegelt. Die Universität stellt keine Ausnahme dar. Wir müssen uns bewusst sein bzw. werden, dass Rassismus Teil des Alltags vieler Menschen ist. Gesellschaftlich wird er leider verharmlost, reproduziert und/oder nicht (an)erkannt. Fälle von Rassismus werden auch im universitären Kontext meist als Einzelfälle abgetan, Betroffenen wird nicht zugehört oder ihnen schlimmstenfalls vorgeworfen, die ganze Situation zu überspitzen. In den meisten uns bekannten Fällen führt dies zu einer Verharmlosung der jeweiligen Situation. Aus diesem Grund entfernt sich die Universität Bonn davon, ein sicherer Ort für internationale Studierende und BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) zu sein. Wir als AStA sind die gewählten Vertreter*innen der Studierenden der Universität Bonn und sehen uns daher verstärkt in der Verantwortung, einen umfassenden und systematischen Diskriminierungsschutz für alle Studierende zu schaffen. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit der Universitätsleitung, den Dozierenden, den Mitarbeiter*innen und den Studierenden den institutionellen und strukturellen Rassismus anzuerkennen, zu benennen und zu dekonstruieren.

In unserer Gesellschaft ist wenig Bewusstsein für Rassismus vorhanden und dieser wird oft als individualisiertes Problem abgetan. Im Folgenden möchten wir erläutern, wo und wie Rassismus an der Universität Bonn auftritt. Wir möchten betonen, dass die folgende Aufzählung anhand von dem AStA bekannten Fällen entstanden ist und somit nur einen kleinen Einblick in diese strukturelle Problematik liefert.

In Vorlesungen, Seminaren oder anderen Lehrveranstaltungsformaten kann sich Rassismus in Lehrmaterial wie Präsentationsfolien (durch „lustige“ Comics) widerspiegeln. Er kann jedoch auch durch Werke, die obsolete Werte vertreten (z.B. aus der Kolonialzeit), durch sowohl Dozierende als auch Studierende reproduziert werden. Oft fehlt eine kritische zeithistorische Einordnung, wodurch Rassismus reproduziert wird. In der Verwaltung: Für einige BIPoC und internationale Studierende ist es eine große Hürde, Studien- oder allgemein bürokratische Angelegenheiten zu regeln. Leider kommt es vor, dass die entsprechenden Sachbearbeiter*innen weniger bereit sind ihnen bei ihren Anliegen zu helfen. Dies schürt nicht nur die Frustration bei Betroffenen, sondern bedeutet auch unnötigen Stress und Mehrarbeit für sie. Studierende befinden sich in einer hierarchisch abhängigen Position zur Universität und deren Mitarbeiter*innen, was Studierende unter besonderen Druck setzt und die Freiheit nimmt, Vorfälle zu melden. Für internationale Studierende of Color ist dieses Machtgefälle noch bedrückender, da häufig ein Visum vom Studierendenstatus abhängt.

Im Studierendenwohnheim: Die meisten Studierenden of Color ohne europäischen Namen werden vom Studierendenwerk in Tannenbusch untergebracht. Nicht nur der Zustand des veralteten Tannenbusch-Wohnheims ist im Vergleich zu den anderen Wohnheimen des Studierendenwerks mehr als grenzwertig. Auch die Tatsache, dass internationale Studierende und BIPoC nicht ausreichend über ihre Rechte informiert werden, sich durch fehlende oder schlechte Erfahrung nicht an die Polizei wenden und das Studierendenwerk keine adäquate Anlaufstelle für Beschwerden bietet, verhindert hier einen sicheren Rückzugsort und „Safe Space“ für internationale Studierende und BIPoC. Dementsprechend stellen externe Personen, die teilweise sehr aggressiv auf die Aufforderung reagieren, das Wohnheim zu verlassen, eine anhaltende Gefahr für die dort lebenden Studierenden dar.

In der Grundordnung der Universität: Im Falle von Rassismus gibt es keine konkreten Verordnungen, die Konsequenzen von oder für Angehörige(n) der Universität Bonn fordern. Durch die Berichterstattung verschiedener AStA-Referate ist uns bekannt, dass Betroffene keine angemessene Anlaufstelle an der Universität haben, um Fälle von Rassismus zu melden. Institutioneller und struktureller Rassismus deckt sich nicht mit dem Aufgabenfeld von Diversitäts- oder Gleichstellungsbeauftragten. Diese beiden Stellen können zwar eine unterstützende Rolle für eine Antirassismus-Stelle übernehmen, die Aufgaben jedoch nicht vollständig auffangen und ersetzen. Institutioneller und struktureller Rassismus wird bis heute von höheren Instanzen der Universität nicht anerkannt und Erfahrungen von Betroffenen werden bagatellisiert. Solidaritätsbekundungen oder das ausdrückliche Sich-Distanzieren von rassistischen Handlungen einzelner Angehöriger des Lehrkörpers sind hierbei weder zielführend noch progressiv. Die Universität Bonn kann eine der ersten in NRW sein, die mit Einrichtung der entsprechenden Beschwerde- und Beratungsstellen Rassismuskritik fest in den akademischen Alltag integriert, indem entsprechenden Verordnungen in der Grundordnung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn verankert werden. Wir wollen gemeinsam individuellen, institutionellen und strukturellen Rassismus an der Universität Bonn erkennen, benennen und dekonstruieren.

Deshalb fordern wir: - die Einführung einer zentralen sowie unabhängigen Anti-Rassismusstelle, - konkrete Leitlinien in der Grundordnung der Universität Bonn, die Konsequenzen für rassistisches Handeln festsetzen, - eine zentrale unabhängige Beratungsstelle für von Rassismus Betroffene, geleitet durch eine BIPoC mit Expertise, - sowie eine psychosoziale Betreuung für BIPoC, die von BIPoC angeboten wird. - die Erarbeitung und Umsetzung von konkreten Maßnahmen zum Abbau institutioneller und struktureller rassistischer Mechanismen, - die Einführung von transparenten Überprüfungsmechanismen der fachlichen Expertise von Dozierenden, insbesondere diejenigen mit Veranstaltungsschwerpunkten in Themenbereichen wie Rassismus, Diversität, Integration oder Diskriminierung fallen (vor allem in Studiengängen wie Lehramt, Medizin, Politik-, Kulturwissenschaften usw.), - die Verpflichtung zur Teilnahme an professionellen (Weiter-)Bildungsmaßnahmen zu Anti-Rassismusstrategien (geleitet von Expert*innen wie bspw. Tupoka Ogette oder Karim Fereidooni) für alle Angehörigen der Universität mit Lehr-, Aus- bzw. Weiterbildungs-, Verwaltungs- und Leitungsauftrag, - regelmäßige und anonymisierte Umfragen zum Thema Rassismus und rassistisches Verhalten an der Universität Bonn, z.B. im selben Turnus wie die Lehrveranstaltungsevaluationen. - die Verpflichtung zur professionellen zentralisierten Aufarbeitung von Beschwerden in Bezug auf Rassismus, begleitet von BIPoC mit Expertise, 3 - Zugang zu Ressourcen, die sich mit Anti-Rassismus befassen, z.B. Bücher, Seminare, Trainings, eLearning-Tools etc. für alle Angehörigen der Universität Bonn auf freiwilliger Basis, - eine aktive und regelmäßige Bewerbung der oben genannten Maßnahmen und Anlaufstellen.

Mit diesen Forderungen schließen wir uns der NRW-weiten Initiative #unirassismuskritisch an. Unsere Forderungen finden in dem Bewusstsein statt, dass wir alle rassistisch sozialisiert sind. Rassismus ist nicht immer böswillig, ist dadurch jedoch nicht weniger verletzend oder gefährlich. Anti-Rassismusarbeit fängt individuell bei jeder*jedem selbst an. Wir möchten gemeinsam mit der gesamten Universität rassistisches Denken und Handeln entlernen. Wir fordern keine weitere studentische Initiative, auf deren Rücken antirassistische Arbeit ausgetragen werden soll, sondern eine systematische Dekonstruktion, die von der Universität geleitet wird. Als Vertreter*innen der Studierenden bieten wir hierzu gerne unsere Mitarbeit, vor allem in der Funktion der kritisch-reflektierenden Berater*innen an. Gleichzeitig benötigen wir auch die Unterstützung von externen Personen und Gruppen mit entsprechender Expertise, um ein nachhaltiges Ergebnis zu gewährleisten.

Im Interesse aller von Rassismus betroffenen und rassismuskritischen Studierenden der Universität Bonn richten wir uns öffentlich an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam an einer rassismuskritischen Universität arbeiten, die ein sicherer Ort für alle Studierende und Angehörige sein kann!