Artikel im Generalanzeiger zum Bildungsstreik verschweigt wahre Zustände

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Nach der Lektüre des am 9. November im Generalanzeiger erschienenen Artikels zum Bildungsstreik drängt sich der Eindruck auf, dass die grundlegenden Probleme im Bildungssystem, die durch die Bildungsproteste von Tausenden angeprangert wurden, größtenteils gelöst oder zumindest zu einem erheblichen Teil beseitigt werden konnten. Gerade im Bezug auf die umstrittenen Anwesenheitspflichten seien seitens des Rektorats bereits deutliche Verbesserungen durchgesetzt worden. Seltsam mutet in diesem Kontext freilich an, dass erst am 4. November im Senat ein Antrag des Studierendenparlamentes scheiterte, in dem die Lockerung der Anwesenheitspflichten gefordert wurde. Statt diese Forderung als Rahmenprüfungsordnung für das Bachelor- und Masterstudium umzusetzen, wurde der Antrag durch Senatsbeschluss an die Kommission für Forschung und Lehre verwiesen, die Auseinandersetzung mit der Forderung also hinausgezögert. Die umfassende Begründung zur Ablehnung des Antrags im Senat scheint dabei die Idee eines selbstbestimmten Studiums generell völlig ad absurdum zu führen. So solle die Anwesenheitspflicht aus „didaktischen Gründen“ nicht geändert werden. Die Mehrheit der Senatsangehörigen hat wohl den Eindruck, dass ein Mensch, der freiwillig ein Studium aufgenommen hat, zu dessen Absolvierung geradezu gezwungen werden müsse!

Der Komplex um die Abschaffung der Studiengebühren wiederum, welche eine der ganz zentralen Forderungen des Bildungsstreikes darstellt, findet in dem Artikel gar keine Berücksichtigung. Zwar wird durch die rot-grüne Regierung die Abschaffung zum Wintersemester 2011/12 angestrebt, doch war die sofortige Abschaffung der Gebühren stets die Forderung der Demonstranten. Die durch die Einführung der Studiengebühren verursachte Problematik wirkt sich also de facto noch immer aus und bildet weiterhin den Nährboden für Proteste.

Dass die Frage um die Erhebung der Studiengebühren auch die Gremien der Bonner Universität unmittelbar betrifft, zeigte sich ebenfalls auf der Senatssitzung vom 4. November. Ein zweiter Antrag der studentischen Selbstverwaltung befasste sich mit der Ausnahme von der Studiengebührenpflicht, im Einzelnen mit der Erweiterung der Befreiungstatbestände. Es bestehen bereits die Möglichkeiten, Befreiungen für die Pflege und Erziehung eines Kindes (max. acht Semester pro Kind), bei einer durch Behinderung oder Erkrankung bedingten Verlängerung des Studiums oder als gewählte Vertreter der Studierendenschaft (max. 2 Semester) zu erhalten. Bei einer unbilligen Härte, die zu einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen führen könnte, sind ein baldiges Studienende und eine positive Leistungsprognose durch die Lehrbeauftragten notwendig für die Befreiung. Diese sehr restriktiven Regelungen sollten nun nach dem Wunsch der Studierenden weiter gefasst werden. So sollte auch für den Zeitraum der Schwangerschaft, für die Pflege und Betreuung von Angehörigen und bei von der Prüfungsordnung verursachten Verlängerungen des Studiums eine Befreiung möglich sein. Weiter ausgedehnt werden sollten die Zeiträume, die für die Kinderbetreuung und für gewählte Vertreter der Studierendenschaft gewährt werden. Außerdem hätte eine unbillige Härte als Befreiungstatbestand auch ohne Leistungsprognose und baldigem Studienende ausreichend sein sollen. Stellvertretend für die Gruppe der ProfessorInnen stellte jedoch der Dekan der Philosophischen Fakultät Professor Schulz einen Antrag auf Nichtbefassung, der von der Mehrheit der anwesenden Professorinnen und Professoren angenommen wurde. Es durfte somit noch nicht einmal über das Thema diskutiert werden.

Zudem wurde die Auswertung der Umfragen unter den Fakultäten und Fachbereichen angesprochen und daran aufgezeigt, dass die Studiensituation für viele Studierende nicht eine derartige Belastung darstelle, wie die Bildungsproteste glauben machen wollten. Die durchgeführte Ad-hoc-Befragung ist allerdings in keiner Weise dazu geeignet, eine repräsentative, umfassende und fundierte Aussage der Studierenden darzustellen. So erfolgten
seitens des Rektorates keine verbindlichen Vorgaben für die Umfrage mit der Konsequenz, dass die einzelnen Institute die Befragungen unterschiedlich handhabten. Teilweise waren etwa nur sehr wenige Studierende anwesend. Es ist also nicht belegt, wie viele Studierende überhaupt an den einzelnen Umfragen teilgenommen haben und in welchem Rahmen diese erfolgten. Das gesamte Vorgehen erweist sich somit als zutiefst intransparent und in keinster Weise wissenschaftlich – Kriterien, die bei einer von der Universität durchgeführten Umfrage doch wohl zu allererst eingehalten werden sollten.

Es zeigt sich also, dass die zentralsten Forderungen der Bildungsproteste an der Bonner Universität bislang nicht erfüllt wurden und der Artikel des Generalanzeigers lediglich den Eindruck suggeriert, sämtliche Probleme hätten einer Lösung zugeführt werden können.

Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass die in dem Artikel zitierten Aussagen des AStA einer bereits monatealten Pressemitteilung entstammen. Diese war als Reaktion auf die Ankündigungen der Universität veröffentlicht worden, die eingeforderten Verbesserungen vorantreiben zu wollen. Nach den Erfahrungen der letzten Monate kann „die Frage, ob sich wirklich Verbesserungen ergeben“ nun aber abschließend – und dies leider, wie dargestellt, verneinend – beantwortet werden. Es würde sich für die Arbeit des Generalanzeigers sicher empfehlen, in Zukunft aktuelle Aussagen der entsprechenden Personen und Institutionen einzuholen.