Der Deutsche Hochschulverband unterstützt potenzielle Täter*innen

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Der Deutsche Hochschulverband (DHV), also die Interessenvertretung der wissenschaftlichen Beschäftigten an Universitäten, bietet ein Programm zur „Unterstützung für Hochschullehrer/innen in besonderen Krisensituationen“ an und meint damit vor allem den Schutz vor Vorwürfen, welche durch Kolleg*innen oder Studierende geäußert werden. Die Webseite des DHV präzisiert solche für ihren kostenpflichtigen Dienst wie folgt:

„Konzipiert ist es [das Hilfsangebot] für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, denen vorgeworfen wird, z.B.

  •    jemanden gemobbt zu haben
  •    sich diskriminierend geäußert zu haben
  •    wissenschaftliches Fehlverhalten begangen zu haben oder
  •    Gelder veruntreut zu haben.“


In einer vorherigen Version dieser Auflistung sprach der DHV noch von sich      

  • "rassistisch geäußert zu haben
  • sich der sexuellen Belästigung schuldig gemacht zu haben".

Die kürzliche Änderung kann die Intention des Angebotes nur schwerlich verschleiern und zeugt von der Befürchtung vor berechtigter Kritik.

Dass „Vorwürfe“, wie vor allem die ersten beiden Punkte, an Universitäten überwiegend von jenen geäußert werden dürften, welche den Hochschullehrer*innen dienstlich oder hierarchisch untergeordnet sind, sollte dem DHV hoffentlich klar sein. Wenn Mobbing, rassistische Beleidigungen und sexuelle Belästigung gemeldet werden, sollte die Frage nach Aufklärung und Unterstützung der Betroffenen an erster Stelle stehen — und nicht etwa die Unterstützung der Beschuldigten. Der DHV stellt auf seiner Webseite die „Vorwürfe“ so dar, als ob diese prinzipiell ungerechtfertigt gestellt und „Shitstorms“ ohne Grundlage unschuldige Hochschullehrer*innen treffen würden. Diese Konstruktion eines Machtverhältnisses, das durch Vorwurfäußerungen entstehen würde, ist dabei fernab der tatsächlichen Machtstrukturen an Universitäten und bedient sich dabei der Täter-Opfer-Umkehr: Wer also zukünftig Dozierende wegen ihres Fehlverhaltens meldet, darf — wenn es nach dem DHV geht — damit rechnen, dass ihm oder ihr nicht nur kein Glauben geschenkt werden wird, sondern auch, dass sich die Beschuldigten beim DHV rechtliche Hilfe suchen und gegen die Betroffenen vorgehen werden. Das kann zukünftig im schlimmsten Falle dazu führen, dass noch weniger Betroffene sich trauen werden, Belästigungen o.Ä. öffentlich anzuklagen.

Es braucht mehr Unterstützungsstrukturen für die Betroffenen von Mobbing, Rassismus und sexualisierter Gewalt! Die Ressourcen von „Rechtsanwälten, Kommunikationsberatern sowie Psychologen“, welche der DHV anbietet, müssen daher für Betroffene bereitgestellt werden, anstatt die Hemmschwelle dafür, sich zu melden, durch ein einseitiges „Unterstützungsangebot“ weiter nach oben zu verschieben und somit eine Aufklärung der Vorwürfe zu verhindern.

Der Deutsche Hochschulverband hat das Angebot mittlerweile von der Auflistung auf der Website entfernt.

Wenn ihr die ursprüngliche Fassung der Website einsehen wollt, könnt ihr das hier tun: https://web.archive.org/web/20230218001439/https://www.hochschulverband.de/weitere-leistungen (Stand 18.02.2023).